Der sechste Sinn
Wenn ein Hund sein Herrchen oder Frauchen wiederfinden soll, kann er dabei auf visuelle, akustische und geruchliche Signale reagieren: Nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum", wählt er dabei zwischen bekannten und unbekannten Orten, Geräuschen und Gerüchen aus und tastet sich so zu seinem Ziel vor. Wenn die Entfernung zum Herrchen oder Frauchen aber größer ist, hilft ihm einzig und allein sein Geruchssinn.
Um von einem Dorf in ein weit entferntes anderes zu kommen, überquert er die Felder in kurvenreicher Strecke, die dem Menschen völlig unlogisch erscheint. Tatsächlich aber, folgt der Hund nur einer Spur- einem möglicherweise 50 bis 100 Jahre alten Pfad, der die Orte einst miteinander verband. Von dieser Strecke gehen noch Gerüche aus, die dem Menschen entgehen, der feinen Hundenase aber nicht verborgen bleiben.
Ein Deutscher Schäferhund schlief in eine Scheune zu Füßen seines Herrchens, plötzlich sprang er wimmernd auf, zog weinen Besitzer an der Hose und veranlaßte ihn so zum Aufstehen. Einige Sekunden später stürzte ein schwerer Balken auf die Stelle hinab, an der Herr und Hund wenige Augenblicke zuvor noch gelegen hatten. Handelt es sich hierbei um die Fähigkeit zur "Vorahnung", oder hat das Tier "Erkannt", daß der Balken einstürzen wird? Auch Erdbeben wurden von Hunden durch Zittern und Heulen frühzeitig angezeigt. Möglicherweise spüren sie Veränderungen im Magnetfeld, oder sie können die feinen Vibrationen wahrnehmen, bevor sie ein Seismograph aufzeichnet.
Dies ist eine beinahe unglaubliche Geschichte eines Chow-Chow namens Yang: Seine Familie lebte im Osten Frankreichs. Die Tochter Thérèse studierte in Paris, kam aber jeden Freitag nach Hause. Yang begleitete Herrchen und Frauchen immer zum Bahnhof, wenn sie Thérèse abholten oder wegbrachten. Eines Tages rief die Tochter zu Hause an und teilte ihren Eltern mit, daß sie am Wochenende nicht heimkommen würde. Dem Hund schien das nicht gepaßt zu haben und so lief er zum Bahnhof, fand den richtigen Bahnsteig und sprang in den Zug nach Paris. An der ersten Haltestelle versuchten Feuerwehrleute, ihn in ihre Gewalt zu bringen. Yang aber, der offenbar festentschlossen war, Thérèse in Paris zu besuchen, entfloh den Männern. Nach einer verrückten Verfolgungsjagd durch alle Abteile wurde er schließlich doch eingefangen. Armer Chow-Chow. Er mußte noch eine lange Woche auf das Wiedersehen warten. Dieses außergewöhnliche Abenteuer läßt sich durchaus erklären. Nachdem der Hund Thérèse mehrere Male hatte ein- und aussteigen sehen, konnte er den richtigen Zug problemlos ausfindig machen.
Auch wenn zahlreiche Phänomene erklärbar sind, bleiben einige doch geheimnisvoll. Wie kann ein Hund oder ein anderer Vierbeiner eine Hunderte von Kilometern lange Strecke zurücklegen, die ihm keinerlei bekannte Anhaltspunkte bietet, zielsicher zurücklegen? Man kennt die Heldentag von "Baron", dem Pudel des Schriftstellers Victor Hugo. Einer seiner Freunde hatte den Hund (als Geschenk) mit nach Moskau genommen. Zwei Monate später war das Erstauen des Schriftstellers groß, als er ein Kratzen an seiner Pariser Wohnungstür hörte - der treue Baron hatte ganz Europa durchquert und sein Herrchen wiedergefunden. Dabei ist der Hund mit dem Zug nach Moskau gefahren und hatte keinerlei Gelegenheit, sich die Strecke durch Gerüche zu merken. Seinen ganzen Rückweg legte er aber zu Fuß zurück.
Um das Jahr 1920 machte ein russischer Psychologe mit Hilfe eines Dresseurs seltsame Experimente: Er legte eine Papierkugel unter einen Tisch. Man brachte einen Foxterrier dazu, die Kugel zu holen, ohne dafür einen mündlichen Befehl zu erhalten. Nur durch Gedanken geleitet gehorchte der Hund. Nun, das Tier hat aber in Wirklichkeit einige dem Menschen unbewußte Signale wahrgenommen, eine Veränderung in der Körperhaltung, in der Blickrichtung ... Ein anderes Experiment: Ein amerikanischer Psychologe richtete zwei Räume ein, die soweit von einander entfernt lagen, daß keinerlei Kommunikation möglich war. Eine Boxerhündin und ihr Welpe waren darauf konditioniert, sich hinzulegen, sobald eine zusammengerollte Zeitung vor ihren Augen hin und her bewegt wurde. Man trennte die beiden und brachte sie in je einen der beiden Räume. Als sich der Welpe auf das Zeitungszeichen hin auf den Boden legte, tat seine Mutter im anderen Zimmer das gleiche. Telepathie?
Auch wenn Hunde im Zusammenhang mit dem Tod erstaunliche Verhaltensweisen an den Tag legen - schon manche haben sich kurz nach dem Ableben ihres Besitzers unter ein Auto geworfen - sollte man jedoch nicht anfangen, an Geister zu glauben. Denn Hunde sind äußerst sensible Lebewesen, die eine enge und tiefe Verbindung zu ihrem Menschen eingehen und genauso trauern können, wie Menschen. Wie viele Hunde verweigern lange Zeit ihr Futter oder werden zu anderen Menschen unzugänglich und lassen sich nicht mehr streicheln. Andere wiederum ist nach dem Tod ihres Herrchens oder Frauchen alles egal und sie verkümmern jämmerlich in ihrem Körbchen bei einer Pflegefamilie oder sogar in einem Tierheim.
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